In den letzten Jahren hat sich das Interesse an neurozentriertem Training, oft auch Neuroathletik genannt, stark erhöht. Dennoch gibt es viele Missverständnisse und falsche Annahmen darüber, was dieses Training tatsächlich beinhaltet. Oft wird es auf bizarre Übungen oder absurde Experimente reduziert, was der Komplexität und den wissenschaftlichen Grundlagen dieser Methode nicht gerecht wird. Dieser Artikel soll einen tieferen Einblick in die Welt des neurozentrierten Trainings bieten und aufzeigen, warum es sich lohnt, sich genauer damit zu beschäftigen.
Neurozentriertes Training ist ein Ansatz, der sich auf das zentrale und periphere Nervensystem fokussiert, um die Leistungsfähigkeit des gesamten Körpers zu optimieren. Ursprünglich bekannt durch die Arbeit von Experten wie Eric Cobb, der den Z-Health-Ansatz entwickelt hat, zielt dieses Training darauf ab, neuronale Prozesse zu verbessern, die Bewegungen und Körperfunktionen steuern. Der Begriff „Neuroathletik“ wurde zwar populär durch die Arbeit von Trainern wie Lars Lienhard und ihre Zusammenarbeit mit Spitzensportlern, doch umfasst neurozentriertes Training weit mehr als nur sportliche Leistungssteigerung.
Der Ansatz integriert eine Vielzahl von Techniken und Methoden aus verschiedenen Disziplinen, darunter funktionelle Neurologie, Bewegungswissenschaften und Rehabilitationsmethoden. Dies ermöglicht eine umfassende und ganzheitliche Betrachtung des Körpers und seiner Funktionen, wobei das Nervensystem im Mittelpunkt steht.
Neurozentrierte Übungen sind spezifische Bewegungen und Techniken, die darauf abzielen, das Nervensystem direkt zu stimulieren und zu trainieren. Der Hintergrund dieser Übungen basiert auf dem Wissen, dass das Nervensystem als Steuerzentrale des Körpers fungiert. Jedes Bewegungssignal, jede motorische Funktion und selbst die Regulierung von Stress und Emotionen werden vom Nervensystem gesteuert. Durch gezielte Übungen kann man auf diese Prozesse einwirken und so nicht nur die körperliche Leistung, sondern auch die mentale und emotionale Stabilität verbessern.
Ein zentrales Konzept hierbei ist die „Neuroplastizität“, die Fähigkeit des Nervensystems, sich zu verändern und anzupassen. Neurozentriertes Training nutzt diese Plastizität, um gezielte Anpassungen im Gehirn und in den Nervenbahnen zu fördern, was zu einer verbesserten motorischen Kontrolle, schnelleren Reaktionen und einer besseren Körperwahrnehmung führen kann.
Es gibt eine Vielzahl von Missverständnissen, die mit dem neurozentrierten Training verbunden sind. Ein häufiges Vorurteil ist, dass es sich dabei um eine Art „Pseudowissenschaft“ handelt, die auf unwissenschaftlichen Prinzipien basiert. Tatsächlich jedoch stützt sich neurozentriertes Training auf fundierte neurologische und bewegungswissenschaftliche Forschung.
Ein weiteres Missverständnis ist die Annahme, dass neurozentriertes Training ausschließlich für Spitzensportler geeignet sei. Obwohl viele dieser Methoden im Leistungssport erfolgreich angewendet werden, sind sie auch für den Alltag und für Menschen jeden Alters und jeder Fitnessstufe geeignet. Das Ziel ist es, die Funktion des Nervensystems zu verbessern, was für jeden von Vorteil sein kann, unabhängig von sportlichen Ambitionen.
Die Komplexität des Nervensystems
Das menschliche Nervensystem ist extrem komplex und bis heute nicht vollständig erforscht. Es besteht aus Milliarden von Neuronen, die miteinander kommunizieren und so jede Bewegung, jede Reaktion und jeden Gedanken ermöglichen. Neurozentriertes Training berücksichtigt diese Komplexität und setzt gezielt dort an, wo das Nervensystem Unterstützung benötigt.
Ein Beispiel hierfür ist das vestibuläre System, das unser Gleichgewicht und unsere räumliche Orientierung steuert. Durch spezifische Übungen, die auf dieses System abzielen, kann die Balance verbessert und das Sturzrisiko reduziert werden. Diese Art von Training kann besonders für ältere Menschen oder Menschen mit neurologischen Störungen von großem Nutzen sein.
Neurozentriertes Training betrachtet den Körper als ein ganzheitliches System, in dem alle Teile miteinander verbunden sind. Es geht darum, die Zusammenarbeit zwischen Nervensystem, Muskeln, Gelenken und anderen Körpersystemen zu verbessern, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Dieser Ansatz kann sowohl zur Prävention von Verletzungen als auch zur Rehabilitation nach Verletzungen beitragen, da er nicht nur die Symptome, sondern die Ursachen von Problemen angeht.
Die kontinuierliche Forschung und Weiterbildung sind essenziell, um die Methoden und Techniken des neurozentrierten Trainings weiterzuentwickeln. Experten, die sich intensiv mit dieser Thematik auseinandersetzen, tragen durch ihre Arbeit maßgeblich dazu bei, das Verständnis und die Akzeptanz dieser Trainingsform zu fördern. Ihre Studien und Fortbildungen bieten tiefgehende Einblicke in die Anwendungsmöglichkeiten und die wissenschaftlichen Grundlagen des neurozentrierten Trainings.