In der Welt des Sports ist es allgemein bekannt, dass Bewegung entscheidend für die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ist. Doch unsere moderne Lebensweise hat uns so weit von natürlichen Bewegungsmustern entfernt, dass selbst Spitzensportler in ihrer täglichen Routine oft nur eingeschränkt aktiv sind. Diese Einschränkungen können gravierende Auswirkungen auf die drei Hauptsensoriksysteme des Körpers – das visuelle, vestibuläre und propriozeptive System – haben, die als Hauptinformationsquellen des Gehirns dienen.
Sicherheit und Vorhersagbarkeit als Grundbedürfnisse des Gehirns
Unser Gehirn strebt nach Sicherheit und Vorhersagbarkeit. Es bevorzugt Umgebungen und Bewegungen, die es kennt und versteht. Der häufig zitierte Spruch „No-Pain-No-Gain“, der oft im Sport verwendet wird, widerspricht jedoch genau diesen Grundprinzipien des zentralen Nervensystems (ZNS). Wenn das Gehirn Bewegungen nicht als sicher und vorhersehbar einstuft, setzt es Schutzmechanismen in Gang, die letztlich die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können.
Bewegungsinduzierte Verletzungen: Ein wachsendes Problem im Sport
Ein aktuelles Phänomen im Sport, insbesondere im Fußball, ist die steigende Zahl an Muskelverletzungen ohne Fremdeinwirkung. Diese verletzungsbedingten Ausfälle, die oft wiederholt auftreten, lassen darauf schließen, dass der Körper den Anforderungen nicht gewachsen ist oder dass das Gehirn als Steuerungsinstanz ein Update benötigt – eine Optimierung der „Bewegungssoftware“ und der Informationskanäle, um die spezifischen Anforderungen der Sportart besser bewältigen zu können.
Die Bedeutung der Verletzungshistorie und individuellen Rehabilitation
Ein zentrales Problem in der Rehabilitation und im Athletiktraining ist die oft unzureichende Berücksichtigung des sogenannten SAID-Prinzips (Specific Adaptation to Imposed Demand). Dieses Prinzip besagt, dass der Körper spezifische Anpassungen als Reaktion auf bestimmte Anforderungen vornimmt. Wenn jedoch Verletzungen auftreten, wird häufig eine „One-Fits-All-Lösung“ angewendet, die der Komplexität der Verletzung und den individuellen Bedürfnissen des Athleten nicht gerecht wird.
Jede Verletzung ist einzigartig und erfordert eine individuelle Betrachtung und Behandlung. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die vollständige Ausheilung der verletzten Strukturen und die Berücksichtigung der neuronalen Komponenten in der Rehabilitation. Häufig werden Verletzungen jedoch zu früh wieder stark belastet, was das Risiko von Folgeverletzungen erhöht.
Die Rolle der neuronalen Steuerung und die Entstehung von Kompensationsmustern
Nach einer Verletzung, insbesondere nach längeren Ausfallzeiten, sind Athleten oft nicht vollständig wiederhergestellt. Obwohl das Gewebe verheilt und das Fitnesslevel scheinbar auf dem alten Stand ist, bedeutet dies nicht, dass die motorische Steuerung wieder optimal funktioniert. Durch die lange Bewegungsunfähigkeit erhält das Gehirn zu wenig Input aus den verletzten Körperbereichen, was zu „blinden Flecken“ auf den motorischen Karten führt.
Diese Lücken in der motorischen Steuerung führen dazu, dass das Gehirn alternative Bewegungsprogramme, sogenannte Kompensationsmuster, entwickelt. Diese Kompensationen können jedoch nicht die optimalen Bewegungsabläufe gewährleisten und führen oft zu Überlastungen und weiteren Verletzungen. Diese zyklischen Verletzungsmuster zeigen, wie wichtig es ist, nicht nur die körperlichen, sondern auch die neuronalen Komponenten in der Rehabilitation zu berücksichtigen.
Eine ganzheitliche Betrachtung von Verletzungen und Rehabilitation
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele der wiederkehrenden Verletzungen im Sport auf eine unzureichende Behandlung und Rehabilitation zurückzuführen sind, die oft nur die Symptome und nicht die Ursachen der Verletzungen adressieren. Um eine erfolgreiche Rehabilitation zu gewährleisten, muss nicht nur die „Hardware“ (das Gewebe) vollständig geheilt sein, sondern auch die „Software“ (die neuronale Steuerung) muss korrigiert werden.
Durch die Implementierung des Neuroathletiktraings eines umfassenden, ganzheitlichen Ansatzes in der Rehabilitation, der sowohl biomechanische als auch neuronale Aspekte berücksichtigt, können Sportler nicht nur schneller und sicherer zu ihrer vollen Leistungsfähigkeit zurückkehren, sondern auch das Risiko weiterer Verletzungen minimieren. Nur so kann ein nachhaltiger und erfolgreicher Rehabilitationsprozess gewährleistet werden.